Dornröschen gleicht, solang er
selbst am Leben,
Des wahren Dichters Kunst in
unsern Zeiten,
solang Mäcen’ nicht ihre
Schritte leiten,
Nicht Fürsten sie an Höf’ und
Throne heben.
Das stärkste Können heut’, das
reinste Streben
Begräbt der Dornbusch seichter
Wirklichkeiten,
Ein Gönner muß – als Prinz –
ihn erst durchschreiten,
Das Licht des Tags der lichten
Maid zu geben.
O meine Kunst, Dornröschen,
seit zehn Jahren
Dir selbst nur blühend, doch
der Welt verloren,
Wann kommt dein Prinz und
zeigt dich seinem Volke?
Mir ist, als rief’ ein Gott
mir aus der Wolke:
Verzehrt dich Sehnsucht schon
nach weißen Haaren?
Dein Prinz – er ist noch nicht
einmal geboren!
Von aller Knaben schönstem
lehrt die Mythe,
Den Eltern hab’ ein Adler ihn
entwendet,
Den einst der Gott der Götter
ausgesendet,
Für ihn zu rauben diese
Menschenblüte.
Denn um die Gunst des
Herrlichen sich mühte,
Der sonst sie seine Frauen
bloß gespendet,
Vor eines Knaben Schönheit
stand geblendet,
Der sonst in Liebe nur zum
Weib erglühte.
Das durfte einst die Gottheit
selber wagen,
Vor jenem schönen Volke der
Hellenen,
Das noch als Muster gilt in
unsern Tagen.
Und rufst du heute: Liebe
jedem Schönen!
So fehlt nicht viel, daß sie
ans Kreuz dich schlagen
Und dich mit Dorn und
Ketzermütze krönen.
Ein Wunderwerk an Angesicht
und Leibe,
Läßt doch umsonst von Fraun du
dich umwerben,
Selbst Echo muß im Durst nach
dir verderben,
Denn keine Liebe hegt dein
Herz zum Weibe.
Da blickst ins wasser du zum
Zeitvertreibe
Und schaust dein Bild, und – o
der Qual, der herben! –
In Sehnsucht nach dir selber
mußt du sterben,
Daß nur der Blum’ dereinst
dein Name bleibe.
Dir gleicht, Narziß, das
seltsame Geschlechte
Der Männer, die in Schönheit
nur versunken
Von Jünglings Art, doch nicht
der Weiber Knechte.
O laß, Kultur, in ihren
Liebesfunken
Die Duldung wehn, gib ihnen
Menschenrechte,
Sonst sterben sie, an eigner
Schönheit trunken!
Den wahren Künstler seh’, den
großen Dichter,
Des Genius Wesen les’ ich hier
im Bild:
Jetzt schwelgend im gewalt’gen
Glücks Gefild,
Jetzt Pssimist, Verzweifler, Selbstvernichter,
Jetzt hangend über Weltraums
Abgerundtrichter,
Jetzt toll beim Glas, drin
Bacchos’ Labe quillt,
Jetzt leidenschaftsdurchwühlt
und wütend wild,
Jetzt Eremit, Entsager und
Verzichter,
Jetzt Himmelslieb’ vor Bild
und Ton empfindend,
Jetzt Leib um Leib in sünd’gen
Gluten windend,
Jetzt Kind des Staubs, im
Äther jetzt entschwindend:
Das ist des Genius eigenst’
Sein im Grunde,
Und Eins nur trennt ihn von
der Götter Runde,
Daß er nicht alles dies – zur
gleichen Stunde
Du, den ich lebe seit der
Kindheit Tagen,
Seit mich die schule hielt mit
ernstem Zwange,
Dich, Übermenschen, preis’ ich
im Gesange,
Der du der Ketten schwerste
Last getragen.
wenn ob der eignen oft ich
wollt’ verzagen,
Die schnöder Alltag schlug dem
höhern Drange,
Sah ich zu dir und war
gestärkt für lange,
Und wildem Trotze wich das
weiche Klagen.
O, bis der Hauf mir wieder
naht mit Knütteln,
Mit Dummheit mich und
Vorurteil zu quälen,
Gib fürder mir die Kraft, ihn
abzuschütteln!
Kein rühmenswerter Los, ist
hier zu wählen,
Als unter Qualen, Martern,
Kettenrütteln
Fürs blinde Pack des Himmels
Strahl zu stehlen.
Euch Tränen? – nein, ich kann
euch nicht betrauern!
Ihr habt des Lebes höchste
Lust erfahren,
Und rief der Tod euch auch in
Lenzesjahren,
war#s, weil Ernücht’rung
mocht’ in spätern lauern.
Viel besser, zwischen öden
Grabesmauern
Aus freier Lieb’ Entschluß
euch aufzubahren,
Als sollt’ sich euch nach
Jahren offenbaren:
Man fühlt nur einmal hehrstes
Wonneschauern.
Die eine Nacht, verschwelgt in
Juliens Kammer,
Muß euch mit jedem Leid der
Welt versöhnen,
Euch trösten über allen
Schmerz und Jammer.
Und eurem Tod entles’ ich
ahnend Eines:
Vielleicht winkt dort ein Heim
dem höchsten Schönen;
Denn – ihr erfuhr’s: die Erde
ist ihm keines!
An Übergriffen, Schwänken,
tollen Streichen,
Was übt’ er nicht in goldner
Jugend Jahren!
Und dennoch ward er edel,
groß, erfahren,
Geehrt, wie je ein Fürst von
Königreichen.
Soll’s Unsereins heut’ wagen,
ihm zu gleichen
Zum Zehntteil nur an freiem
Lustgebaren:
Gleich fassen Ehrenhüter ihn
bei Haaren,
Und trüg’ er auf der Stirn der
Gottheit Zeichen!
O Formenkram! O schiefe
Ehrbegriffe!
O Klippen in des Lebens freiem Meere!
O unsres Glückes
selbstgeschaff’ne Riffe!
Wohin man blickt, nur: Ehre!
Ehre! Ehre!
Und sieht man durch das
Narrenkleid bei Lichte,
So birgt’s Pygmän und Motten
und nur Wichte.
Ihr beide, hätt’ ein
Deutschland nie bestanden,
Ihr hättet Sein und Atem ihm
gegeben;
Zwei Bergen gleich, die sich
zuhöchst erheben,
So ragt ihr aus des neuen
Reiches Landen.
Der Sänger, weil aus fremder
Knechtschaft Banden
Er unsre Kunst befreit zu
eignem Leben,
Der Staatsmann, weil der Brüder
feindlich Streben
In einen Strom zu lenken er
verstanden.
Der Erste schuf in höchster,
hehrster Reinheit
Uns eine deutsche Kunst, indes
der Zweite
Den Nothung schweißte – unsres
Volkes Einheit.
O daß dich, heilges
Deutschtum, nie entweihte
Fremdländersucht und
Bruderzwistes Kleinheit:
Den blieb’ die Palme dann in
jedem Streite!
noch denk’ ich dran, wie ich
vor sieben Jahren,
Blutjunger Marssohn, stand vor
seinen Bildern;
Seitdem konnt’ Zeit,
Gewohnheit, Stand nicht mildern
Den tiefen Riß, den dort mein
Herz erfahren.
Gedanken, die seit längst die
meinen waren,
Zu Wogen schwoll’n sie dort,
zu immer wildern,
Es war ein Zwiespalt, den
nicht Worte schildern,
Die Menschen schienen Wilde
mir, Barbaren.
O Wereschtschagin! Zwar du
warst kein Dichter,
Doch wer hat mehr, sie oder
du, gelehret,
Wo unser Heil, wo unsre Hölle
liege?
Was ist das Lied verhimmelnder
Berichter
Von Schlacht und Graus, die
nur ihr Sang vermehret,
Gen deine Flammenbotschaft:
Krieg dem Kriege!
Die Welträtsel! Wie wenig doch
zu halten
Vermag ein Buch, des Name so
verheißend!
Ideen mitsamt Idolen
niederreißend,
Wie wenig faßt’s des Lebens
wahres Walten!
Ein freier Geist zwar wehet
durch die Spalten,
Doch wird er seicht, voll
kind’schen Hochmuts gleißend.
Nichts ändern Wissenschaft,
nichts Witze beißend,
Gott, Jenseits, Freiheit –
bleiben stets die alten.
Substanz, Stoff, Kraft –
uralte Litaneien!
Dem Rätsel bringt’s um keines
Haares Breite
Uns näher, noch der Wahrheit
an die Seite.
Stets raunt’s von Yggdrasil
von ew’gen Dingen,
Ob Kinder zeitweis’ auch den
Baum umspringen
Und: heureka! ich hab’s
gefunden! schreien.
Wer alles prüfen und das beste
wählen
Zur Richtschnur nimmt beim
Lesen solcher Dichter,
Der wird auch dir ein mild
ergriff’ner Richter,
Wenn nicht dich gar zu seinen
Liebsten zählen.
Wohl wird er Gothland, wird
gar vieles schmälen,
Und erst dein Leben, arger
Selbstvernichter;
Doch strahlen wird sein Aug’
begeist’rungslichter,
Wird deinen Staufern sich sein
Geist vermählen.
O Sechster Heinrich! Friedrich
Barbarosse!
O deutscher Vorzeit ragende
Kolosse!
Floht von der Bühne ihr zum
Zauberschlosse?
Denn was uns deutsche Dichter
heut’ kredenzen,
Vor eurem Schimmer, Schwert-
und Panzerglänzen
Ist Pöbelschmutz und
Brandweindunst und Posse,
Du durftest nicht mit Großen
um die Wette
Zu stampfen wagen des Theaters
Boden;
Romant’schen Unsinns Urwald
auszuroden
War keine Großtat auf dem
Bühnenbrette.
Doch was den Ruhm dir rettet
stets und rette,
Hoch ob der Zeiten
Mißgeschmack und Moden,
Sind die Ghaselen, die
gewalt’gen Oden,
Sind deine süßen, schmelzenden
Sonette.
Hier bist du groß, hier
übertrifft dich keiner,
Hier meiner kleinen Götter
bist du einer,
Hier nur begeistert folg’ ich
deiner Fahne.
Und was zunächst dich wert mir
macht und teuer:
Du glühest auch von jener
Liebe Feuer,
Der Hafis sang und Hellas
jauchzt’ Päane.
Ob du mit Cain des Geistes
Marmorblöcke
Voll Trotz Jehova in die
Fenster fegtest;
Ob du mit Manfred Schuldverzweiflung
hegest,
Und doch verscheuchst der
Hölle finst’re Böcke.
Ob du mit Harold, Meere,
Felsenstöcke
Und Länder preisend, deine
Saiten regest;
Ob mit Juan du lüstern sie
bewegest
Und Streiche singst,
Liebschaften, Mädchenröcke;
Ob Loch nach Gar, ob Idas Lob
du singest,
Ob du zu Marys Jugendlieb’
dich schwingest,
Ob du gen Gott, dich selbst,
die Satzung ringest,
Ob Denkers, Dichters, Stutzers
Preis dich kröne:
Stets liebend folgt dir meiner
Kunst Kamöne,
Denn was du singst – mir
sind’s verwandte Töne!
Dir dank’ ich Welten! Dies
mein ganzes Ich
Ist halb mein Werk nur, halb
von dir gegeben.
Das hehrste Schwelgen, höchste
Seinserheben,
Der Wonnen stärkste schlürft’
ich ein durch dich.
In deinem Zeichen ward, wuchs,
formte sich
Seit jung mein ganzes Fühlen,
Denken, Weben,
In deinen Helden len’ ich
zehnfach Leben,
Fühl’ hundertfach in deinen
Klängen mich.
O Siegfrieds sang! O Tristans
Tongewalten!
O Wolfram! Walther! Heinrich!
Lohengrin!
Was wär’ ich Bettler ohne die
Gestalten,
Die Menschen, Weisen, drin ich
atm’ und lebe
Mit allem, was ich sinn’ und
wirk’ und webe
Und träum’ und denk’ und
dicht’ und fühl’ und bin!